DESIGN

Anticipatory Design & Hyper-Personalisation

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UX- und UI-Design sind faszinierende Bereiche, in denen es unter anderem darum geht, neue digitale Produkte und Anwendungen, Website-Designs und Benutzeroberflächen zu konzipieren und visuell zu gestalten. Ein einzigartiges Nutzungserlebnis ist für mich nur möglich, wenn sich beide Disziplinen gegenseitig unterstützen und bekräftigen. Es fällt mir deshalb auch schwer, beide voneinander getrennt zu betrachten.

02-Contentbild-3-2In unserer dynamischen Branche befindet man sich oft auf einer Gratwanderung. Die Schaffung immer neuer Wege und Möglichkeiten, um Nutzer:innen zu begeistern und in den Bann zu ziehen auf einer Seite, dem gleichzeitigen Zuhören und Berücksichtigen ihrer Bedürfnisse auf der anderen. Aber alles konzentriert sich letztendlich auf die Menschen, für die wir gestalten. Um den ständig neuen Anforderungen gerecht zu werden, um ihnen das beste Erlebnis bei der Interaktion mit digitalen Produkten zu bieten und um sicherzustellen, dass Marken und Unternehmen über die notwendigen Tools und das Know-How verfügen, um mit den neuen Entwicklungen Schritt zu halten. Nach wie vor resultieren 32 % der schlechten Nutzererfahrungen darin, dass Nutzer:innen nie wieder zu dieser Marke zurückkehren (PwC).


Was aber sind die Trends der kommenden Monate und vielleicht Jahre? Ich würde sagen: Anticipatory Design & Hyper-Personalisation. Das ist zwar alles nicht neu, gewinnt aber dank der Fortschritte in der KI immer mehr an Relevanz.

Was ist das?

Antizipatorisches Design zielt darauf ab, automatisierte und vorausschauende Systeme zu schaffen, die in erster Linie proaktiv sind. Dadurch kann eine einzigartige und einfache Kundenerfahrung geboten werden. Es nutzt künstliche Intelligenz, um Daten über die Gewohnheiten und Vorlieben der Nutzer:innen in Bezug auf eine Anwendung zu sammeln. Diese Daten werden dann verwendet, um Bedürfnisse im Voraus zu erkennen und darauf einzugehen. Es ist also ein bisschen so, als würde man die Gedanken seiner Kundschaft lesen.

 

Es kombiniert UX- und UI-Design, Big Data, Internet der Dinge und maschinelles Lernen mit dem Wissen über die Customer Journey. Die geistige Anstrengung bei der Nutzung eines digitalen Produktes wird verringert, in dem man die Anzahl der zu treffenden Entscheidungen reduziert. Durch weniger Auswahlmöglichkeiten werden Bedienungsoberflächen übersichtlicher und intuitiver. Die Popularität von Flat Design in den vergangenen Jahren zeigt bereits den Trend, dass sich Nutzer:innen weniger Ablenkungen und vereinfachte Online-Erlebnisse wünschen.

 

Intelligent eingesetztes vorausschauendes Design ist eine große Zeitersparnis. Es ermöglicht, sich auf Dinge zu konzentrieren, die wichtiger sind, anstatt immer wieder banale, sich wiederholende Aufgaben auszuführen. Denn je weniger man darüber nachdenken muss, was alles getan werden soll, um das Ziel zu erreichen, desto wahrscheinlicher ist es, dass dieses auch erreicht wird.

 

Beispiele:

02-Contentbild-Jun-01-2022-08-28-07-13-AMEin einfacher Fall des antizipatorischen Designs ist zum Beispiel die Möglichkeit, einen automatischen Kalendereintrag in meinem Handy oder Laptop auszulösen, wenn ich eine Buchungsbestätigung per Mail bekomme. Beziehungsweise wenn ich auf dem iPhone »Wir sehen uns morgen« an jemanden sende und im Text das »morgen« in einen Hyperlink umgewandelt wird, in der Erwartung, dass ein Termin erstellt werden soll.

 

Oder Reisesuchmaschinen wie Kayak, die mir schon beim ersten Besuch das Ausfüllen des Startflughafens abnehmen, indem dieser automatisch nach meinem Standort vorausgefüllt wird. Suche ich nach einem konkreten Flug und breche dann ab ab, wird beim nächsten Besuch die vorherige Suche mit Start- und Zielflughafen und ausgewähltem Reisetermin schon vorausgewählt.


Öffne ich die App von Free Now (ehemals myTaxi), wird hier von dem üblichsten Use Case ausgegangen – ich möchte sofort ein Taxi an meinen aktuellen Aufenthaltsort bestellen. Es steht mir natürlich noch frei, Änderungen vorzunehmen. Wenn ich in der Uber-App eine Fahrt unternehme, wird beim nächsten Start der App eine Schaltfläche für die Rückfahrt angezeigt, da ich sehr wahrscheinlich zu meinem ursprünglichen Ziel zurückkehren möchte. Es ist also nicht mehr zwingend nötig, einen Ort für Abholung und Rückfahrt anzugeben. Damit wird mir ein Komfort geboten, der gegenüber anderen Anbietern als Alleinstellungsmerkmal wahrgenommen wird. Diese beiden Apps haben durch die Antizipation und Entfernen von Entscheidungen eine ganze Branche verändert.

02-Contentbild-2-4Die gezielten Show-Empfehlungen von Netflix, die vorgefertigten Wiedergabelisten auf Spotify oder wie Amazon auf der Grundlage meiner früheren Suchanfragen und Einkäufe Kaufvorschläge macht – das alles sind weitere Beispiele antizipatorischen Designs, die beweisen, dass wir in einem Zeitalter der Hyper-Personalisierung leben. Diese Empfehlungen nehmen mir zwar keine Entscheidung ab, basieren allerdings auf meinen Nutzungsdaten und können meine Entscheidung für die nächste Serie oder den nächsten Song wesentlich erleichtern. Inhalte werden für mich kuratiert, damit ich bei der großen Auswahl nicht die Lust verliere und den Service weiter fleißig nutze.

 

Diese Form der Personalisierung nutzt maschinelles Lernen und Echtzeitdaten, um den Nutzer:innen relevantere Inhalte, Produkt- und Serviceinformationen zu liefern. Und das funktioniert. 80 % geben an, dass sie lieber Marken bevorzugen, die personalisierte Erfahrungen bieten (Epsilon). Personalisierung erhöht die Kundenzufriedenheit um 20 % und steigert die Konversionsrate im Einzelhandel um 10–15 % (McKinsey). Laut HubSpot haben personalisierte CTAs eine um 202 % höhere Konversionsrate als normale Handlungsaufrufe und Links.

 

Wie also können Unternehmen Daten nutzen, um potenzielle Kundschaft gezielter anzusprechen und ihnen den Umgang mit ihrem Service zu erleichtern?

 

Indem man die zu treffende Auswahl vereinfacht oder einschränkt:

  • Vorausgewählte Einstellungen als Standard
  • Präferenzen des Users merken
  • Empfehlungen basierend auf bisherigem Userverhalten
  • Einfluss auf die Entscheidungen nehmen

 

Indem man überschüssige Optionen entfernt:

  • Einsatz von psychologischen Verhaltensmustern (»Behavior Patterns«)
  • Optimierung für den häufigsten Use Case
  • Antizipation der Entscheidung

 

Indem man Einstellungen auf dem Weg zur Conversion vorher festlegt:

  • kognitive Leistung der Nutzer:innen minimieren
  • Nutzer:innen »unerwartet« positiv überraschen – 65 % der Befragten würden langfristige Kunden einer Marke werden, wenn diese positive Erlebnisse während der gesamten Customer Journey bieten kann (Forbes)

 

Zusammengefasst:

Das UX- und UI-Design im Jahr 2022 wird zunehmend vom Nutzungserlebnis abhängen. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz ermöglicht die Schaffung eines datengesteuerten Online-Erlebnisses, das auf die Bedürfnisse der Kundschaft eingeht, bevor diese überhaupt danach fragt und Aktionen dahingehend vereinfacht, um ihr die Aktivität zu erleichtern.