Was ist wohl bisher die faszinierendste Innovation der 2000’er Jahre? Flachbildfernseher? Ja, die sind schon toll. Geschäftsmodelle auf Basis digitaler Plattformen? Ganz großes Ding. Das Smartphone? Keine Diskussion an der Stelle, ohne geht heutzutage nicht mehr.
Alle drei genannten Beispiele haben mit Sicherheit in den letzten beiden Jahrzehnten sowohl Alltagsleben und Kaufentscheidungen von Kunden, aber auch Marketing- und Vertriebsstrategien von Unternehmen nachhaltig verändert.
Vermutlich war es jedoch ein großer Lebensmittelkonzern aus der Schweiz, welcher eine unter vielen Gesichtspunkten wirklich faszinierende Innovation auf den Markt brachte.
Kaffeekapselmaschinen.
Ursprünglich entwickelt Ende der 80’er Jahre, waren diese Produkte lange Zeit eine Nische in einem Nischenmarkt, sprich‘ kaum jemand nahm sie wahr.
Der entscheidende Schritt geschah 2004 mit der Einführung des ersten Modells mit dem Top-Loading Drop-In System, was Bedienung und Komfort dramatisch verbesserte. Im gleichen Jahrzehnt begann man auch aktiv, eine globale Marke aufzubauen, inkl. prominenter Markenbotschafter und exklusiver Boutiquen sowie ein in sich konsistentes und skalierbares Geschäftsmodell zu entwickeln.
Aber viel faszinierender ist etwas anderes. Ein Kilo Kaffee kostet in Deutschland 10,- bis 18,- EUR. Bei Kaffeekapseln kostet das Kilo Kaffee 60,- bis 80,- EUR. Mit dem Ergebnis, dass heutzutage in jedem fünften Haushalt in Deutschland eine Kapsel- oder Padmaschine steht. Der Anteil am Gesamtmarkt für Kaffee liegt mittlerweile bei 12%, Tendenz immer noch steigend.
Ein Unternehmen bringt etwas auf den Markt, was sechs- bis achtmal so teuer ist, wie ein etabliertes Produkt und hat damit sagenhaften Erfolg. Eine faszinierende Innovation.
Innovation schafft Marktvorteil
Globalisierung, Digitalisierung, Vernetzung und ein steigendes Bildungsniveau in den Industrienationen führten in den vergangenen 50 Jahren vor allem zu einer nahezu vollständigen Transparenz wirtschaftlicher Erfolgsmechanismen. Das bedeutet, dass Erfolg auf Produkt- und Markenebene heutzutage kopierbar und somit für den Kunden kaum mehr unterscheidbar ist. Preis, Qualität und Image genügen im modernen Wettbewerb nicht mehr als Differenzierungsmerkmale. Kunden entscheiden heutzutage auf Basis anderer Kriterien und sind, siehe Kaffeekapselmaschinen, dabei nicht immer rational.
Im Jahr 1998 veröffentlichte Joseph Pine II im Harvard Business Review einen Artikel, in dem er den Wandel von der Produkt- und Serviceökonomie hin zur Erlebnisökonomie beschrieb.
Kurz zusammengefasst ist seine These, dass Kunden in einem Markt auf der untersten Stufe für Güter, dann für Produkte und Services und letztlich für das Erlebnis zahlen und jede Stufe zu immer mehr Wertschöpfung führt.
Wenn Sie Kaffeebohnen kaufen, ist das relativ günstig.
Sie können Kaffee aber auch als fertiges Produkt erwerben, welches Sie nur noch aufbrühen müssen. Oder Sie erwerben eben Kaffee fertig portioniert in Kapseln, direkt zu Ihnen nach Hause geliefert.
Und wenn Sie richtig Geld verdienen wollen, dann können Sie die Tasse Kaffee als unvergessliches Erlebnis gestalten indem Sie einen Coffeeshop mit grünem Logo eröffnen, Merchandise verkaufen und ihren Kunden »Caramel flavored Pumpkin Spice Soya Latte« anbieten.
Die Entwicklung von Gütern, zu Produkten, zu Services und schließlich zu einem Erlebnis nennt man schlicht und ergreifend Marktinnovation. Dabei sind Güter, Produkte und Services immer noch die Grundlage jedes Kundenerlebnis. Problematisch ist eben nur, dass die heutzutage von anderen Marktteilnehmern einfach und schnell kopiert werden, ebenso wie erfolgreiche Werbe- und Markenstrategien. Daher brauchen wir Innovationen die Erlebnisse schaffen, um uns weiter am Markt einen Wettbewerbsvorteil sichern.
Erlebnisse sind etwas, was wir wahrnehmen, was wir fühlen. Erlebnisse beruhen auf Emotionen, das was uns als Mensch ausmacht. Sie sind sehr individuell und finden in uns statt.
Was zählt sind Emotionen
Innovative Agenturen helfen ihren Klienten vor allem dabei, den Kontakt zu deren Kunden bzw. den Konsumenten ihrer Produkte auf einer emotional relevanten Ebene aufzubauen und die Bedürfnisse dieser Gruppen besser zu verstehen. Und das jenseits klassischer Marktforschungsinitiativen, deren Ziel i.d.R. immer noch darin besteht, anhand demografischer Faktoren Markpotenziale zu quantifizieren, anstatt eben Lebenswirklichkeiten zu verstehen.
Design Thinking ist unter den Innovationsmodellen jener Ansatz, welcher den Kunden als menschliches Individuum und sein Empfinden in den Mittelpunkt stellt. Durch die sehr starke Betonung empathischer Erkenntnisse bei der Formulierung von Hypothesen und der Validierung von Ergebnissen unterscheidet sich diese Vorgehen zu anderen produkt- oder marktorientieren Modellen.
Es ist viel wichtiger zu verstehen, was Kunden eigentlich erleben möchten, als zu erkennen, wie hoch die Preiselastizität bestimmter Fokusgruppen ist und welche Kommunikationsmaßnahmen diese langfristig absenken.
Erfolgreiche Innovationen helfen den Verbrauchern Probleme zu lösen und gehen gleichzeitig auf Ängste oder Hemmungen ein, die einer Kaufentscheidung im Weg stehen können. Probleme in einem Markt sind wichtiger als Kundeneigenschaften, Produktmerkmale, neue Technologien oder Trends, wenn es darum geht, bahnbrechende, sprich‘ erlebnisschaffende Innovationen zu entwickeln.
Und bei den Lösungen für diese Probleme geht es niemals nur um Funktionalität. Es spielen immer auch soziale und emotionale Faktoren eine entscheidende Rolle. Eine moderne Brand- und Contentmarketingstrategie berücksichtigt eben diese beiden Faktoren, um die Kunden in Ihrer Kaufentscheidung zu beeinflussen.
Dazu gehört zu allererst einmal, einen Kontakt zum Kunden aufzubauen, was im Zeitalter austauschbarer Wertangebote und schierer Informationsflut immer schwieriger wird. Es genügt nicht mehr, einfach nur laut zu sein, denn laut ist der Wettbewerb ebenfalls. Und wenn es dem Kunden zu laut wird, ein Adblocker ist schnell installiert.
Es ist viel wichtiger den richtigen Ton zu treffen, den Kunden auf der Ebene anzusprechen, auf der er bereit ist, seine Aufmerksamkeit zu geben. Und dafür benötigt es eben ein tiefes, emotionales Verständnis des Kunden und seiner relevanten Lebenswirklichkeit. Kauft er z.B. einen bestimmten Wein, um:
- einen persönlichen Genuss zu erleben?
- als spendabler Gastgeber gesehen zu werden?
- einem anderen Menschen ein schönes Geschenk zu machen?
Und wenn es um den persönlichen Genuss geht, ist dieser dann eher eine Form der Belohnung, der Entspannung oder auch »nur« die sekundäre Veredelung einer anderen, für den Kunden viel wichtigeren Sache, wie z.B. ein Abendessen?
Eine nachhaltig erfolgreiche Innovation bedient jedoch nicht nur das unmittelbare produkt- / servicefokussierte Konsumbedürfnis eines Kunden, sondern hilft ihm auch, sich persönlich weiterzuentwickeln und bindet ihn so stärker an die Marke.
Ein Glas Wein am Abend zur Entspannung mag das primäre Bedürfnis sein, aber was ist z.B. mit dem sekundären Bedürfnis, eine weitere Verwendung für die angebrochene Flasche zu finden … und ganz wichtig, besteht das Problem hinsichtlich einer Kaufentscheidung überhaupt?
Wer die Absichten und die Lebenswirklichkeit seiner Kunden kennt, dem erschließen sich sehr wertvolle Quellen für Innovationen und damit für die Differenzierung zum Wettbewerb.
Solche Fragen kann die klassische, auf demografische Faktoren fokussierte Marktforschung nicht zufriedenstellend beantworten und vor allem nicht hinsichtlich eines Wettbewerbsvorteils. Marktforschungsergebnisse sind auch »nur« ein Produkt / Service und die können ja mittlerweile von allen Marktteilnehmern einfach und schnell kopiert werden.
Ein Innovationsmodell wie Design Thinking, welches sowohl problem- als auch ergebnisoffen, den Kunden und seine Bedürfnisse in den Vordergrund stellt, sollte daher auch für einen wirklich innovativen und faszinierenden Ansatz im Brand- und Contentmarketing das Mittel der Wahl sein.
So kann z.B. das Bedürfnis der Menschen nach Exklusivität, Individualisierung und geringem Aufwand dafür sorgen, dass diese entgegen aller Logik bereit sind, dass sechs – achtfache für eine einfache Tasse Kaffee zu zahlen.