Das Schwerste an jedem neuen Projekt ist der erste Pinselstrich, das erste Rechteck, die erste gesetzte Headline.
In der kreativen Welt ist dieser Moment auch als blank sheet syndrom bekannt.
Werden wir zu Beginn einer neuen Aufgabe mit einem leeren Blatt konfrontiert, fühlen wir uns unter Druck gesetzt und können nicht anfangen. Weil, wer unbedingt etwas Großes erschaffen will, kann nicht beginnen. Und wer möglichst schnell Erfolg haben möchte und Angst davor hat, etwas falsch zu machen, macht letztendlich überhaupt nichts.
Das Recherche Syndrom
Es gibt dennoch eine weitaus häufiger vorkommende Version des blank sheet syndroms: das Recherche Syndrom. Aus Angst davor, wir hätten noch nicht genügend Vorbereitungen getroffen, beginnen wir damit zu recherchieren. Ich sehe dieses Verhalten in Agenturen, an Universitäten und ab und an auch bei mir selbst. Wir lesen, informieren uns, sammeln Inspirationen, aber beginnen einfach nicht damit, etwas eigenes zu gestalten.
Man darf mich nicht falsch verstehen, Recherche ist großartig. Aber wenn Recherche zur Ausrede wird, um selbst etwas zu gestalten, dann ist Recherche kontraproduktiv und unnütz!
An genau dieser Stelle sollten wir uns selbst sagen:
»Hör auf zu denken. Fang endlich an etwas zu gestalten!«
Wie es überwindbar wird
Kreativität braucht Druck. Keine Angst, damit ist kein Stress gemeint. Vielmehr meine ich damit, eine große Aufgabe in mehrere kleine zu unterteilen, für die man sich selbst Deadlines setzt. Somit setzt man sich klare Grenzen zur Lösung eines bestimmten Problems. Das hilft dabei, nicht gleich den Verstand zu verlieren. Gleichzeitig befreit es den Kopf von Fragen, die für das gerade akute Problem irrelevant sind.
Die folgenden Tipps können uns helfen loszulegen:
Verwende Templates, vorhandene Frameworks und Methoden
Jedes Mal von vorne zu beginnen ist verschwendete Zeit. Es gibt Komponenten, die in fast jedem Projekt vorkommen. Nehmen wir das Beispiel Web Design. Ob es eine gewisse Art von Typographie-System, Buttons mit den dazugehörigen Stati oder ein Textlink ist – all diese Komponenten werden auf jeder Website benötigt.
Hat man einmal ein Template mit all diesen Einzelteilen erstellt, kann man dieses bei folgenden Projekten immer wieder als Basis verwenden.
Es ist egal, ob man dieses Template selbst gebaut oder sich aus bereits vorhandenen Ressourcen kopiert hat. Wichtig ist es, eines zu besitzen und darauf aufbauen zu können – sich damit einen Startpunkt zu schaffen.
Verwende Routinen
Etwas Neues zu beginnen ist vergleichbar damit, ein Kind ins Bett zu bringen. Es gibt Routinen, die einem Kind helfen, sich daran zu gewöhnen, ins Bett zu gehen. Genauso funktioniert es mit der Kreativität.
Routinen, Rituale und Angewohnheiten sind hilfreich. Sie erzeugen eine bestimmte Atmosphäre, oder eine bestimmte Stimmung. Durch sie gewöhnen wir uns schneller an eine neue Situation. Viele Kinder können nur dann einschlafen, wenn ihnen ihre Eltern eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen haben. Kaum ist die Geschichte erzählt, schlafen sie seelenruhig ein.
»Kinder wollen nicht ins Bett gehen. Darum benötigen sie eine Besänftigung. Kreative wollen nicht arbeiten. Deshalb benötigen auch sie eine Besänftigung.«
Also noch einmal: Welche Routine du verwendest, ist egal. Bedenkt man, wie viele unterschiedliche Rituale von Eltern eingesetzt werden (manche singen, andere beten mit ihren Kindern, wiederum andere lesen eine Gute-Nacht-Geschichte vor), so stellt man fest, es geht nicht darum, was genau gemacht wird, sondern dass man sich etwas angewöhnt.
Es bietet sich an, dafür etwas auszusuchen, das simpel ist und zu dem man im Idealfall immer und überall Zugang hat. Es ist ähnlich wie bei Eltern, die jedes Mal den Schnuller zu Hause vergessen, wenn es in den Urlaub geht. Den Schnuller kann man vor Ort neu kaufen und somit den Nachwuchs »ruhigstellen«. So sollte es auch dir gehen.
Mach dir beispielsweise einen Tee, setz dir Kopfhörer auf, oder räum erst einmal deinen Schreibtisch auf – so funktioniert es zumindest bei mir. ;)
Verwende Regeln
Alle Spiele basieren auf Regeln. Es ist eigentlich ziemlich seltsam, daran zu denken, dass die lustigsten und unterhaltsamsten Momente deines Lebens langweilige und ernste Regeln verwenden.
»Spiele machen Spaß, weil sie Regeln besitzen.«
Zugegeben, ein Spiel ohne Regeln kann in den ersten Minuten ziemlich Spaß machen, wird dann aber schnell langweilig. Wenn dir beim Gestalten nicht langweilig werden soll, solltest du dir Regeln zulegen für das, was du tust.
Fokussiere dich nicht auf WAS, sondern auf WIE
Auch wenn dieser Satz weiter oben bereits ausführlich erklärt wurde, ist dieser die Essenz dieses kurzen Artikels. Es geht nicht darum, mit welcher Methode, welcher Routine oder mit welchen Regeln du arbeitest. Du benötigst auch nicht zwingend alles davon. Wichtig ist, dich selbst schnell in eine Stimmung zu bringen, in der du motiviert und kreativ arbeiten kannst. Eine gute Routine ist nur dann gut, wenn du sie anwendest, wenn sie benötigt wird. Egal ob das täglich oder wöchentlich ist. Sie muss aber immer wieder wiederholt werden, wieder und wieder. Natürlich kann man sich auch für Methoden und Routinen von anderen inspirieren lassen. Meine Empfehlung ist es aber, sich etwas auf den Leib zu schneidern. Denn nur Angewohnheiten, die zur eigenen Persönlichkeit passen, funktionieren.