Das neue Jahrzehnt ist noch keine zwei Monate alt und schon jagt eine Schlagzeile die nächste. Mit welchen Themen uns dieses Abenteuer namens 2020 in den kommenden Monaten noch bewegen wird? Zum Beispiel mit einer neuen Währung. Die das Potenzial hat, unser digitales Zahlungssystem auf den Kopf zu stellen.
Die Rede ist von »Libra«, der hauseigenen Kryptowährung von Facebook. Diese wird auf der Homepage als »einfach, inklusiv und global« beschrieben. Libra ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht auf dem Markt erhältlich, spaltet die Welt aber bereits jetzt in zwei Gruppen: Denn sie wird entweder als Währung der Zukunft angesehen oder schon im Vorfeld verteufelt.
Was ist eine Kryptowährung überhaupt?
Kryptowährungen sind spätestens seit dem Bitcoin-Boom nichts Neues mehr. Sie sind ein digitales Zahlungsmittel, mit dem getauscht oder gehandelt werden kann – wie mit gewöhnlichem Geld. Allerdings ist die Währung dezentral und nicht unter der Kontrolle von finanziellen Institutionen und Regierungen.
Der digitale Zahlungsprozess mit Bitcoin und Co. gleicht einem analogen Kassenbuch:
Transaktionen werden während eines Zeitraums in einem sogenannten Block gespeichert. Dieser Block enthält immer folgende Bestandteile: einen Zeitstempel, die Transaktionsdaten, seine eigene einzigartige Prüfsumme (Hash) sowie die Prüfsumme des vorhergehenden Blocks. Durch die aufeinanderfolgenden Hashes werden Blöcke chronologisch zu einer sogenannten Blockchain miteinander verknüpft. Diese Blockchain bildet ab, wann wie viel Geld den Besitzer gewechselt hat – sie entspricht quasi dem Kassenbuch. Mit dem Unterschied, dass die Blockchain dezentral von tausenden Computern verwaltet wird, die jede einzelne Transaktion authentifizieren, bevor sie gültig ist und ausgezahlt wird. Dieser Vorgang macht den Zahlungsprozess nahezu fälschungssicher.
Was verspricht sich Facebook von Libra?
Sagen wir es so: Facebook hat weltweit eine Nutzerbasis von mehr als zwei Milliarden Personen. Durch den Kauf von Instagram, WhatsApp und Oculus hat der Social Media Mogul inzwischen bei so vielen Menschen einen Fuß in der Tür wie kaum ein anderes Unternehmen. Wenn der Zuckerberg-Konzern nach der erfolgreichen Ausbreitung im Freizeit-Sektor nun mit Libra in den globalen Finanzmarkt drängt, bekommt er vor allem eines: mehr Macht.
Facebook selbst erklärt die Einführung von Libra und des zugehörigen Krypto-Wallets Calibra allerdings damit, dass viele Menschen weltweit keinen oder nur unzureichend Zugang zu finanzieller Infrastruktur haben. Das Unternehmen wolle diese Exklusion adressieren und durch eine einfach zugängliche, globale Währung Milliarden von Menschen neue Chancen bieten. Wenn man der Website von Libra Glauben schenkt, wird die Währung z. B. extreme Armut verringern, viele Millionen Arbeitsplätze schaffen und das Einkommenspotential deutlich erhöhen.
Was muss man über Libra wissen?
Wie bereits erwähnt: Libra soll weltweit für alle Menschen zugänglich sein, die Nutzung digitaler Finanz-Services erleichtern und so ein »inklusiveres globales Finanzsystem ermöglichen«. Trotz der spekulativen Unruhen will Facebook im ersten Halbjahr 2020 mit Libra an den Markt gehen. Gekauft werden kann die Währung dann klassisch mit Dollar, Euro oder Yen – anschließend wird das gekaufte Guthaben in der Wallet-Funktion Calibra, also in der elektronischen Geldbörse des Nutzers, hinterlegt. Perspektivisch soll die Währung übrigens nicht nur für User von Facebook, WhatsApp oder Instagram nutzbar sein, sondern auch außerhalb dieser Anwendungen. Durch die Nutzung einer Blockchain-Technologie will Facebook die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Finanzsystems garantieren und sich damit von den vorangegangenen Datenskandalen lösen.
Die Aufsicht über Libra führt die sogenannte »Libra Association«, eine Allianz der Gründungsmitglieder. Zu diesem Partnernetzwerk gehören unter anderem Größen wie Uber und Spotify, die neben der Steuerung auch Implementierung und Strategie von Libra mitverantworten. In die Association darf aber nicht jede Firma: Für den Beitritt hat Facebook klare Vorgaben definiert, zu denen für Unternehmen unter anderem ein Marktwert von mindestens 1 Milliarde Dollar und eine Reichweite von über 20 Millionen Menschen weltweit pro Jahr gehören. Für akademische Institute und sozial engagierte Partner gelten andere Evaluierungskriterien. Zum Start von Libra waren Partner wie Mastercard, Visa, PayPal oder Vodafone für das Projekt vorgesehen, die allerdings aufgrund des Gegenwinds seitens Behörden und Politik kurz vor der Unterzeichnung ausgestiegen sind.
Libra verspricht Großes
Aktuell sind laut Facebook 1,7 Mrd. Menschen weltweit von Bankdienstleistungen ausgeschlossen. Libra kann die Lösung sein, der breiten Allgemeinheit Geldtransaktionen global zu ermöglichen – vor allem, wenn das Wallet auch ohne Kreditkarte oder Bankkonto auskommt. Große Chancen können daher in Schwellenländern gesehen werden. Aber auch über Landesgrenzen hinweg kann der Zahlungsverkehr durch Libra billiger, schneller und sicherer werden – die Transaktionsgebühren der Kryptowährung sollen beispielsweise deutlich geringer als bei normalen Überweisungen ausfallen.
Zukünftig soll Libra zudem zu einer Stablecoin werden. Das bedeutet, dass sich mögliche Wertschwankungen im Gegensatz zu den meisten anderen Kryptowährungen wie z. B. Bitcoin lediglich im Centbereich bewegen. Damit wird vermieden, dass ein Libra heute einen Wert von 1 US-Dollar hat und morgen plötzlich 100 US-Dollar wert ist.
Die Bedenken sind jedoch ebenso groß
Mal abgesehen vom einen oder anderen Aufschrei im Zusammenhang mit den Datenskandalen war Facebook eher selten ein politisches Thema. Die Ankündigung, dass Facebook bald in der Finanzwelt mitmischen möchte, sorgt allerdings schon seit Monaten für Tumult in der internationalen Politikerszene. Denn weil Facebook auf der ganzen Welt massiv Einfluss hat und so viele Menschen erreicht, könnte Libra in Handumdrehen als neues Zahlungsmittel akzeptiert werden, das fast komplett unabhängig von Politik, Banken, Ländern und Kontinenten funktioniert. Als Schnittstelle zu allen Währungen hat sie das Potenzial, die wichtigste Handelswährung der Welt zu werden. Daher stellt Libra für das aktuelle Finanzsystem ein Risiko dar. Politiker machen sich Sorgen hinsichtlich Sicherheit, vor allem in Bezug auf Geldwäsche, Investorenschutz, Terrorismusfinanzierung sowie Datenschutz.
Fazit
Von den G7-Staaten wurde unmissverständlich klar gemacht, dass Libra mit großer Skepsis zu betrachten ist. In welche Richtung wird sich das Projekt entwickeln? Welche Größenordnung wird Libra haben? Wie wird Libra sich mit den globalen Finanzregulierungsmaßnahmen vereinbaren lassen?
All das Misstrauen ist meiner Meinung nach gerechtfertigt, schließlich sprechen wir hier immer noch von Facebook – und dieser Firmenname steht nicht gerade für Sicherheit. Sicherheit, die man sich für seine Finanzen definitiv wünscht. Dennoch bietet das Konzept viele Vorteile, die internationale Transaktionen immens vereinfachen könnten. Wie stark Libra wirklich genutzt wird und welche Befürchtungen oder Hoffnungen sich bewahrheiten, wird sich jedoch erst zeigen, wenn die Währung tatsächlich auf dem Markt verfügbar ist.