STRATEGIE KONZEPT

Hat die 5-Tage-Woche bald ausgedient?

ZUR ÜBERSICHT

Das neue Jahrzehnt war gerade einmal sieben Tage alt, schon waren Journalisten und Menschen weltweit auf Fake News hereingefallen: Finnland wolle die Vier-Tage-Woche mit Sechs-Stunden-Tagen einführen. Das berichteten hierzulande unter anderem Welt, Deutschlandfunk und Tagesschau Anfang Januar – und mussten bereits kurze Zeit später wieder dementieren.

Auch wenn es sich bei der Meldung über die Arbeitszeit-Verkürzung in Finnland nur um ein Missverständnis handelte, hat dieser Vorfall doch erneut Debatten entfacht: Denn die Idee der 4-Tage-Woche begeistert nach wie vor viele Arbeitnehmer – mehr aber meist auch nicht. Warum unsere Gesellschaft immer noch an der 5-Tage-Woche festhält und welche Nebeneffekte die Verkürzung hätte, erläutere ich in diesem Beitrag.

Seit wann sind 5-Tage-Wochen die Norm?

Zu Zeiten des Kaiserreichs arbeiteten die Deutschen 70 Stunden pro Woche – heute unvorstellbar. Diese Zahl sank mehr oder minder stetig und lag nach dem zweiten Weltkrieg bei etwa 48 Stunden, verteilt auf sechs Tage. Die 1949 gegründete Deutsche Gewerkschaftsbund forderte ab Mitte der 1950er im Rahmen einer großen Kampagne, die wöchentliche Arbeitszeit auf 40 Stunden, verteilt auf fünf Tage, zu verkürzen. Mit Erfolg: Bereits kurze Zeit später wurde die 40-Stunden-Woche für die ersten Industriezweige tarifvertraglich vereinbart. Diese Regelung breitete sich in immer mehr Branchen aus und wurde in den 60er-Jahren schließlich zum Standard – gesetzlich geregelt ist sie allerdings bis heute nicht. Denn das Arbeitszeitgesetz schreibt lediglich die Einhaltung des Acht-Stunden-Tages vor.

Never change a running system – oder doch?

Nach mittlerweile mehr als 50 Jahren mit der 5-Tage-Woche wird es langsam mal wieder Zeit für frischen Wind, könnte man meinen. Bei meiner Recherche ergab die Suche nach Gründen, warum die 40 Stunden Arbeitszeit aufgeteilt auf fünf Tage immer noch die Norm sind, kaum Ergebnisse. Heißt das, wir haben mit dem Status quo schon den Optimalzustand erreicht? Ich glaube nicht. Denn auch wenn wir zum Beispiel durch agiles Arbeiten und mobile Arbeitsplätze immer flexibler werden, verschieben sich die Werte und Schwerpunkte der Arbeitnehmer von Generation zu Generation immer weiter. Auch die voranschreitende Digitalisierung, zu der unter anderem auch technologischer Fortschritt in Form von KI gehört, wird unsere Arbeit und damit auch unsere Arbeitszeit früher oder später massiv beeinflussen. Dem kann die Fünf-Tage-Woche in ihrer derzeitigen Form nicht bis in alle Ewigkeit gerecht werden.

Zudem klingen flexible Arbeitszeiten und Home-Office in der Theorie oft schöner, als sie es dann tatsächlich sind. Eine Studie aus dem Frühjahr 2019 kommt zu dem Ergebnis, dass flexible Arbeitszeitmodelle sowohl bei Männern als auch bei Frauen vielmehr zu verlängerten Arbeitszeiten führen als zu einer besseren Work-Life-Balance. Für die Frauen wird die vermeintliche Erleichterung durch Flexibilität sogar oft zur Doppelbelastung, da sie in vielen Fällen neben der Arbeit mehr Zeit für ihre Kinder aufwenden müssen.

02-Contentbild 2

Das Interesse an der Vier-Tage-Woche ist da …

In einem anderen Artikel sind wir bereits darauf eingegangen, wie sich die Werte der neuen Generationen wie der Generation X verschieben: »Familie, Freunde, Lebensqualität und Gesundheit sind jüngeren Mitgliedern unserer Gesellschaft wichtiger als verbissenes Karrierestreben und Führungspositionen.«

Auf gut Deutsch: Insbesondere junge Menschen finden ihre Erfüllung immer weniger im Job, sondern in ihrer Freizeit. Sie verringern lieber ihre Wochenarbeitszeit, um dafür mehr Zeit für Freizeitaktivitäten zu haben. Dieser Wunsch nach mehr Freizeit vereint allerdings nicht nur junge Erwachsene, die gerade erst anfangen zu arbeiten: Laut einer Studie vom September 2019 würden 66 % aller europäischen Arbeitnehmer gerne vier Tage pro Woche arbeiten, solange ihr Verdienst sich nicht verringert. Lediglich 15 % würden auf den Anteil ihres Gehalts verzichten, um mehr Freizeit zu haben. Eine andere Studie aus dem Frühjahr 2019 kommt zu ähnlichen Ergebnissen.

Gleichzeitig befürchtet ein Drittel der Befragten, dass die Reduktion auf vier Arbeitstage bei gleichem Gehalt und damit auch gleichem Arbeitspensum extrem viel Stress mit sich bringen würde. Viele Arbeitnehmer sagten, sie befänden sich aktuell näher an einer 6-Tage-Woche als am Modell mit reduzierter Wochenarbeitszeit. Dieser Hinweis auf geleistete Überstunden ist wohl auch die Erklärung, warum ein Drittel der Befragten äußert, dass sie ihr Pensum innerhalb von vier Tagen nicht schaffen würden und vermutlich auch trotz offizieller Reduzierung der Arbeitszeit einen fünften Tag arbeiten müssten.

Effizienz, wir brauchen Effizienz

Damit eine Vier-Tage-Woche auch für Arbeitgeber ohne Nachteile funktionieren kann, müssten Arbeitnehmer effizienter arbeiten – vor allem, wenn sie dafür das gleiche Gehalt erhalten (wollen), wie zuvor für fünf Tage. Eine höhere Produktivität könnte zum Beispiel geschaffen werden, indem interne Prozesse optimiert werden oder die genutzte Technik (z. B. Computer und Software) verbessert wird.

Aber nicht nur Arbeitgeber, sondern auch Arbeitnehmer müssen etwas ändern: Wir lassen uns im Büro gern ablenken. Und zwar nicht nur durch Kaffeepausen und ein Gespräch mit dem Sitznachbarn, sondern zum Beispiel auch durch Telefongespräche oder nicht-themenbezogene E-Mails, die uns aus unserer eigentlichen Aufgabe reißen: Schon vor Jahren wurden verschiedene Studien veröffentlicht, die belegen, dass nach einer solchen Unterbrechung die Fehlerquote deutlich ansteigt und wir mehr als 20 Minuten brauchen, um wieder vollständig in unser eigentliches Thema einzutauchen.

Auf der anderen Seite führte Microsoft Japan im August 2019 einen internen Test durch, bei dem das Unternehmen testweise eine 4-Tage-Woche bei vollem Gehalt für 2.300 Mitarbeiter implementierte. Aus der daraus resultierenden Studie lässt sich entnehmen, dass die Arbeitnehmer nicht nur insgesamt glücklicher waren, sondern dass die Produktivität im Vergleich zum Vorjahresmonat um 39,9 % gesteigert wurde. Zudem wurde deutlich weniger Strom und Papier verbraucht. Mehr als 90 % der Probanden sprachen sich anschließend für die Einführung der Vier-Tage-Woche aus.

Im Zusammenhang mit meiner Recherche zu diesem Thema habe ich auch ein ähnliches Experiment in Schweden gefunden: Eine Toyota Werkstatt führte dort schon im Jahr 2004 als Testphase den 6-Stunden-Arbeitstag ein. Auch dort stiegen Produktivität und Qualität, während der Krankenstand sank.

Henne oder Ei?

Die Vier-Tage-Woche scheint uns vor das altbekannte Henne-Ei-Problem zu stellen: Brauchen wir erst gesteigerte Produktivität, bevor wir die Vier-Tage-Woche im Unternehmen einführen können? Oder müssen wir erst die Vier-Tage-Woche einführen, damit unser Unternehmen produktiver wird?

Diese Frage kann ich leider nicht beantworten. Ich kann mich aber dafür aussprechen, den offenen Dialog zur Weiterentwicklung unserer Arbeitszeitmodelle weiterzuführen. Nur wenn wir immer wieder den Status quo hinterfragen, Strukturen neu denken und optimieren, können wir beste Leistungen erzielen und zukunftsfähig bleiben. Das gilt für jeden Einzelnen von uns, aber auch für ganze Unternehmen. Und ich bin mir ganz sicher, dass die 5-Tage-Woche mit nine-to-five nicht die Zukunft ist – ob wir allerdings die Anzahl der Arbeitstage verändern, die täglichen Arbeitsstunden reduzieren oder etwas ganz anderes machen, bleibt abzuwarten.