Heute ist der passende Tag, um die Geschichte von Mama und ihrem neuen iPad zu erzählen.
Es war Sonntagnachmittag. Das Telefon klingelte. Das können nur die Eltern sein, dachte ich mir. Denn wer sonst ruft sonntags auf dem Festnetz an. Und ich hatte Recht. Mit etwas mehr Aufregung in der Stimme als sonst verkündete mir Mama, dass ihr neues iPad mini angekommen sei. Ich freute mich mit ihr und fragte gleich nach: »Und gefällt es dir denn?« »Weiß nicht, ich glaube es ist kaputt.«
Mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet und fiel in eine kurze Schockstarre. Sie hat es doch nicht allen Ernstes fertiggebracht, das Ding kaputt zu bekommen, bevor es überhaupt benutzt wurde?
Es folgen Auszüge aus einer zweistündigen iPad-Einrichtungs-Schlacht am Telefon. Ein Gedächtnisprotokoll.
Mama: »Das iPad ist kaputt.«
Ich: »Das glaub ich nicht.«
Mama: »Doch.«
Ich: »Warum?«
Mama: »Es macht nix.«
Ich: »Ist das iPad an?
Mama: »Wieso?«
Ich: »Weil das schon wichtig wäre.«
Mama: »Wie geht’s denn an?«
Ich: »Du musst einfach lange auf den Knopf oben rechts drücken.«
Stille am anderen Ende der Leitung.
Mama (leicht erschrocken): »Da ist ein Apfel!«
Ich: »Also ist es ja doch nicht kaputt.«
Mama: »Und geht es jetzt gleich ins Internet?«
Ich: »Geduld, Mama. Zuerst musst du es einrichten.«
Mama: »O. K.«
Ich: »Was siehst du gerade?«
Leicht nervös und mit aufgeregter Stimme wurde vorgelesen, was das Apple Erst-Installationsmenü hergibt. Ich war mittlerweile selbst leicht gereizt, weil ich mir meinen Sonntagnachmittag etwas anders vorgestellt hatte.
Ich: »O. K. Mama, ganz ruhig. Gemeinsam schaffen wir das. Es ist wirklich supereasy.
Mama (misstrauisch): »O. K.«
Ich: »Also, was fragt es dich gerade?
Mama: »Nach meinem Namen.«
Ich: »Sehr gut. Den weißt du ja. Oder?
Mama: »Ja. Soll ich den jetzt reinschreiben?«
Ich: »Yepp, kannste machen.«
Mama: »O. K.«
Ich: »O. K?«
Mama: »O. K!«
Ich: »Cool.«
Mama: »Und was jetzt?«
Ich: »Was siehst du denn jetzt?«
Mama: »Meinen Namen.«
Ich: »Gut. Dann musst du jetzt auf etwas drücken, damit du weiter kommst. Auf »Enter« oder »Bestätigen« oder so was.«
Mama: »Da gibt es keine Taste, die so heißt«.
Ich: »Das ist auf dem Bildschirm. Keine Taste, Mama!«
Mama: »Ich seh das nicht, es ist kaputt!«
Ich war nun an dem Punkt angelangt, wo ich mir wünschte, dass das Ding wirklich kaputt ist und die Telefonaktion endlich ein Ende findet. Ich versuchte aber die Nerven zu behalten.
Ich: »Nein, es ist bestimmt nicht kaputt. Beschreib mir am besten von oben bis unten, was du jetzt siehst.«
Mama: »Fünf kleine Balken, Telekom.de, 99 Prozent, ...«
Ich: »Mama, stopp, stopp. Was siehst du ein bisschen weiter unten?«
So ging es die nächsten eineinhalb Stunden. Bis ich es – wie durch ein Wunder – irgendwie schaffte, alle Hürden der iPad-Inbetriebnahme zu nehmen und Mama mit ihrem neuen Gerät online zu bekommen. Doch es taten sich neue Hürden auf.
Mama: »Google funktioniert nicht.«
Ich: »Wieso funktioniert Google nicht?«
Mama: »Das Ding ist kaputt!«
Ich: »Mama, sag mir, was du grad gemacht hast?«
Mama: »Ich hab’s oben im Fenster eingegeben. Aber es kommt nicht.«
Ich: »Les mal vor, was du eingegeben hast.«
Mama: »We We We Punkt Ge Oh Oh Oh Ge Ell Eh Punkt Zeh Oh Emm.«
Ich: »Mama, versuch’s doch bitte mal mit einem Oh weniger.«
Mittlerweile fühlte ich mich um mindestens zwei Produktlebenszyklen eines iPads gealtert, wollte nur noch auflegen und gemütlich auf der Couch surfen. Aber ich spürte, dass daraus nichts werden würde. Mama war angefixt von ihrem neuen Apple Gerät. Sie wollte mehr und murmelte neue Aufgaben ins Telefon. Aufgaben, die ich nur noch mit dem halben Ohr mitbekam, weil ich vor Erschöpfung fast einschlief.
Mama: »Und jetzt erklär mir mal, wie ich damit meine Mails abrufen kann? ... Ach, und wie kann ich jetzt damit Hotels buchen? ... Und kann ich damit auch drucken? ... Du hast doch erzählt, dass ich dich jetzt sofort mit der Kamera sehen kann. Wo und wie geht das? ... Und wie kann ich damit Fotos machen? ... Können wir das gleich alles ausprobieren?"
Ich: Mama, sorry, ich höre dich ganz schlecht. Ich glaube, mein Telefon ist kaputt.
Warum diese Geschichte am Tag, an dem Apple zu sich einlädt? Ganz einfach: Denn wenn Apple heute – traut man allen Gerüchten und Leaks – sein neues iPhone vorstellt, sollten wir nicht nur die neuen Möglichkeiten sehen und uns über neue Hardware und das neue iOS freuen. Nein, wir sollten auch eine Sekunde innehalten und kurz an alle Söhne und Töchter denken, die in den folgenden Wochen und Monaten von ihren Eltern folgenden Anruf bekommen werden: »Du, ich glaub mein neues iPhone ist kaputt.«