STRATEGIE KONZEPT

Neuromarketing: wissen, warum Kunden kaufen

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Wie lassen sich Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft für das Marketing nutzbar machen?

Nur etwa fünf Prozent der Kaufentscheidungen werden bewusst getroffen. Das wurde in wissenschaftlichen Experimenten festgestellt, bei denen die Gehirnaktivitäten von Testkunden gemessen wurden. Bei etwa 95 Prozent der Kaufentscheidungen ist also das Unterbewusstsein maßgeblich beteiligt, so das im Jahr 2008 erschienene Grundlagenwerk »Neuromarketing«.

Der Neurophilosoph Daniel Dennet vergleicht das Bewusstsein eines Kunden mit einem Regierungssprecher, der Entscheidungen zu verkünden hat, an denen er zum einen nicht beteiligt war und dessen wahren Entscheidungsgründe ihm zum anderen nicht zugänglich sind. Beim Neuromarketing richtet sich die Kommunikation demnach nicht an den bewussten, rationalen Käufer, sondern an seine Emotionen, die seine wirkliche »Regierung« sind. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Belohnungssystem: Lustvolle Erwartungen motivieren zum Kauf, beim Konsumieren des ersehnten Objekts sieht man sich mit guten Gefühlen belohnt. Was als Belohnung empfunden wird, hängt davon ab, welches Emotionssystem angesprochen wird. Unterschieden werden drei große Emotionssysteme: das Balancesystem für Sicherheit, Risikovermeidung und Stabilität. Das Dominanzsystem für Selbstdurchsetzung, Konkurrenzverdrängung und Autonomie. Und das Stimulanzsystem für Entdeckung von Neuem und für das Erlernen von neuen Fähigkeiten.

An die Emotionen appellieren

Um diese Emotionssysteme anzusprechen, werden Marken und Produkte über Sprache, Geschichten, Symbole und Sensorik codiert. Die Bedeutung dieser Codes lernt der menschliche »Autopilot« im Laufe des Lebens. So codiert etwa Mercedes-Benz seine Marke über Sprache mit dem Claim »Das Beste oder nichts« für das Emotionssystem Dominanz. Red Bull codiert über die vielen Geschichten und Events mit Spitzensportlern die Bedeutung für das Stimulanzsystem. Geschichten sprechen das episodische Gedächtnis an, welches das am höchsten entwickelte Gedächtnissystem des Menschen ist. Symbole funktionieren ähnlich und können unmittelbare Verhaltensprogramme im Autopiloten aktivieren. So wird z. B. das Apple-Logo sofort mit Design-Qualität und intuitiver Bedienung der Produkte verbunden. Für eine erfolgreiche Markenpositionierung und Produktkommunikation muss man also die neuronalen Entscheidungsprozesse und die menschliche Psychologie kennen. So führt das Nutzen von verhaltenspsychologischen Effekten zu messbar größerem Erfolg.

Köder-Effekt

Einer dieser Effekte ist der Decoy-Effekt (Köder-Effekt), auch als asymmetrischer Dominanzeffekt bezeichnet. Hat ein Kunde die Auswahl zwischen zwei Angeboten, die sich in Leistung und Preis unterscheiden, kann er durch ein drittes Angebot zum höherpreisigen Angebot gelenkt werden. Dazu muss der Köder in einigen Aspekten eines der beiden Angebote dominieren, aber nicht beide. Hintergrund: Der Kunde betrachtet das Angebot nicht separat, sondern vergleicht es mit anderen hinsichtlich der für ihn relevanten Eigenschaften. Der Decoy-Effekt nutzt dabei nun die Dominanzregel, nach der ein Angebot dann nicht gewählt wird, wenn ein Alternativangebot in allen Eigenschaften vergleichbar ist, aber bei mindestens einer Eigenschaft überlegen ist.

Auch das Framing, also der sprachliche Rahmen, in den eine sachliche Information eingebettet wird, kann die Befindlichkeit und Motivationslage des Gegenübers beeinflussen. So kann eine Information unterschiedlich formuliert werden und dadurch verschiedene Reaktionen hervorrufen. Das bekannteste Beispiel: »Das Glas ist halb voll« versus »Das Glas ist halb leer«.

Die konsequente Anwendung dieser Erkenntnisse im werblichen Kontext macht das Marketing effizienter; sie liefern eine wertvolle Ergänzung zu den klassischen Marktforschungsmethoden. Dennoch wird auch in Zukunft die kreative Idee hinter der Werbebotschaft ausschlaggebend dafür sein, was sich gut verkauft. Wer aber im Vorfeld weiß, warum sich etwas verkauft, kann den kreativen Prozess befeuern und neue Wege für das Marketing eröffnen.

Erschienen in WIM 10/2014