Immer wieder gibt es üble Fälle von Alltagsrassismus in Werbekampagnen bzw. Werbebotschaften. Zuletzt galt das für den Werbeclip von VW, in dem eine riesige weiße Hand einen schwarzen Mann vor sich herschiebt und in einen Hauseingang schnippt. Dann purzeln die Buchstaben der Werbung für den neuen Golf so durcheinander, dass kurz das Wort »Neger« erscheint. So ein Video zu produzieren, zeugt entweder von gezieltem Rassismus oder von grenzenloser Naivität. Dass so etwas absichtlich produziert wird, daran könnte kein Unternehmen Interesse haben.
Doch genau das zeigt die Dimension des Problems. Dass den Verantwortlichen in der Werbeagentur und bei VW der hetzerische Charakter des Videos gar nicht aufgefallen ist, offenbart, wie weit sich diese Art von Alltagsrassismus in unsere Köpfe vorgefressen hat. Offensichtlich wird unterschätzt, womit manche sich im Alltag konfrontiert sehen und wie das Motiv vor diesem Hintergrund eben auch erlebt werden kann. Hat man verlernt, Rassismus zu erkennen, weil er so normal und alltäglich ist? Wenn die Mitarbeiter es selber nicht merken, liegt das wohl auch daran, dass sie selbst nicht betroffen sind oder sich evtl. noch keiner von ihnen in einer ähnlichen Situation befunden hat.
Es ist leicht, im Nachhinein eine Meinung zu vertreten wie: Wir sind absolut gegen Rassismus und nutzen die Stilmittel der Satire, der Überspitzung, der Überschreitung von Grenzen für unsere Werbung. Dies geschehe aber nicht auf böswillige, sondern auf humoristische Art und Weise. Das Problem hierbei ist die Gratwanderung – denn Ironie und Satire können immer falsch verstanden werden. Man sollte sich fragen, ob provokatives, integratives und interkulturelles Marketing, wie es auch z. B. True Fruits oder Hornbach taten, immer der richtige Weg ist, diejenigen anzusprechen, die jeden Tag daran erinnert werden, dass sie anders sind. Jeden Tag darauf aufmerksam gemacht zu werden, dass Schwarzsein im kollektiven Verständnis mit einem bestimmten Set von Eigenschaften verbunden ist. Oder ob man sich über die schmerzenden und negativen Erfahrungen einer ethnischen Minderheit lustig machen möchte.
Den Shitstorm für das gezielte Einsetzen des erwartbaren Missverständnisses sollte man eigentlich schon aus der Ferne riechen können. Gerade, wenn man die Zweideutigkeit zum Nachteil von Minderheiten ausnutzt. Doch ist der Shitstorm das wirklich wert? Ist das gute Werbung, wenn man Diskussionen und Anschuldigungen über sich ergehen lassen muss, die letztendlich im Zurückziehen der Kampagne enden? Vermutlich nicht.
Es wird in Unternehmen zwar Compliance-Regelwerke geben, die aber bei der Entwicklung der VW-Werbekampagne – so scheint es – keine Rolle gespielt haben. Die inhaltlichen Aussagen von Werbespots scheinen keiner internen Kontrolle zu unterliegen. Jedoch sollte kein Geschäftsfeld und insbesondere nicht das Marketingsegment bei der Qualitätskontrolle außen vorgelassen werden. Denn gerade mit Werbung tritt man in unmittelbaren Kontakt zum Kunden.
Ansatzpunkte zur Vermeidung wären hier:
- Eine glaubwürdige und gelebte Unternehmensethik
- Eine durchdachte Compliance Kontrolle
- Eine sämtliche Bereiche durchdringende Compliance-Struktur
Die Frage muss erlaubt sein, ob es in der Werbung immer nur um vordergründige Effekte und die kurz erregte Aufmerksamkeit geht und ob die ethische Qualität der Werbespots dahinter zurücktreten muss. Aufmerksamkeit sollte nicht vor Anständigkeit gehen. Verkaufszahlen nicht vor die Gefühle anderer Menschen gehen. Wenn es doch so weit kommt, hat man das Vertrauen der Kunden eh schon verspielt.
Weitere Beispiele für rassistische Werbung
Verkehrsverbund Rhein-Ruhr:
https://www.ruhr24.de/nrw/schokoticket-rassismus-vorwurf-vrr-werbung-dunkelhaeutiger-kritik-verkehrsverbund-rhein-ruhr-zr-13788329.html